Er ist Herr über ganze Völkerscharen, die ihn fast das ganze Jahr über umschwärmen und dazu auch noch mit der Speise der Götter versorgen: Heinz Hess, Vorsitzender des Hirschhorner Bienenzuchtvereins, betreut 20 Bienenvölker von Unter-Schönmattenwag über Heddesbach und Brombach bis über den Neckar nach Hirschhorn-Ersheim. Im Verein selbst, dessen Mitglieder aus dem gesamten südlichen Odenwald von Wald-Michelbach über Rothenberg und Beerfelden bis ins hessische Neckartal kommen, sind um die 50 Imker aktiv.
Auch wenn dies als eine größere Zahl erscheint, ist sie im Vergleich zu früher marginal. Vor mehr als 100 Jahren, weiß Hess, „zur Zeit unserer Urgroßeltern-Generation“, hatte in den Gemeinden des Odenwalds noch „jeder dritte Haushalt seine eigenen Bienenvölker zur Selbstversorgung mit Honig“. Und leistete damit natürlich auch einen Beitrag zur Pflanzen- und Tiervielfalt in der Natur.
Der Imker-Rückgang gegenüber früher „ist dramatisch“, schildert der 72-Jährige. In Hirschhorn innerhalb weniger Jahrzehnte um 90 Prozent. „Noch vor etwa 50 bis 60 Jahren gab es hier mehr als 30“, erläutert Hess. Damals eine relativ gute Situation, „was die Versorgung der Natur mit den Bestäubungsspezialisten betraf“. Die heutige Situation sei „alarmierend“. Denn es seien in der Neckarstadt gerade noch drei von 30 Imkern übrig geblieben. Er selbst hat schon seit fast 40 Jahren Bienen und ist damit Mitglied im vor über 60 Jahren gegründeten Verein.
Hess ist aber stolz darauf, dass die Bienenzüchter im gesamten südlichen Odenwald heuer wieder mehr als zehn Jung-Imker in ihren Reihen haben, die die alte Tradition fortführen. Deren Zahl reiche aber bei weitem nicht aus, um die vielen altersbedingten Abgänge auszugleichen. „Das ist zu wenig, um die Bestäubung der Landschaft sicherzustellen“, sieht der Vorsitzende mit einen Grund für das voranschreitende Artensterben.
Deshalb appelliert er: „Jung-Imker sind bei uns jederzeit willkommen.“ Er selbst habe durch eine AG an der Hirschhorner Grundschule vier Jugendliche für den Einstieg gewinnen können. Drei bis vier Völker machten noch nicht viel Arbeit, hebt er hervor. Der Verein stelle den Neulingen alles zur Verfügung, was diese bräuchten. Wer sich unsicher sei, könne auch erst einmal „mit einem Volk auf Probe“ loslegen, so Hess. In regelmäßigen Lehrgängen geben darüber hinaus die alten Imker-Hasen ihre Erfahrungen, Tipps und Tricks weiter. Die Kurse seien kostenlos und würden vom Verein terminlich organisiert.
„Früher waren die Hirschhorner Neckarwiesen rot von blühendem Blutweiderich“, erinnert sich Hess. Heute sehe man diese Pflanze nur noch ganz vereinzelt. Es macht ihn traurig, sagt er, wenn „die Leute ihre Vorgärten als Steinwüste platt machen“, anstatt dort Pflanzen anzusiedeln, die wiederum den Bienen Nahrung böten. Und ein Rasen sollte möglichst nicht immer englisch sein, sondern bis zur ersten Mahd Mitte Juni stehen bleiben dürfen. Als „Gift für die Tiere“ bezeichnet der Vereinsvorsitzende das derzeit in der Diskussion stehende Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat.
Immerhin gibt es seinen Worten zufolge einen Hoffnungsschimmer beim Kampf gegen die Varroa-Milbe. Die hatte jeden Winter schon ganze Völker dahingerafft, weil sie diese in der anfälligsten Jahreszeit angreift. Laut Hess wurde vor kurzem ein Varroa-tolerantes, gezüchtetes Vatervolk an die Belegstelle in Brombach gebracht, das sich als ziemlich resistent erweise.
Der Hirschhorner weiß, wovon er redet, denn er ist auch Bienenseuchen-Sachverständiger und macht Gesundheitsuntersuchungen. Die Imker müssten die Tiere immer wieder kontrollieren, betont er. Denn: „Die Milbe werden wir nicht mehr los.“
In der aktuellen Schwarmzeit besteht ein Volk aus 60.000 bis 80.000 Bienen mit Königin, so Hess. Im Winter seien es aber nur 10.- bis 20.000, die allerdings länger lebten, weil sie weniger arbeiten müssten. Am wichtigsten fürs Überleben der Völker „ist die Pflanzenvielfalt und ein gesichertes Pollenangebot“, erläutert Hess.
Die dem Verein angeschlossenen Imker haben den Worten des Fachmanns zufolge zwischen drei und 30 Völker. Schwerpunkte sind dabei Rothenberg mit seinen Ortsteilen Kortelshütte, Ober-Hainbrunn oder Finkenbach, aber auch Beerfelden parallel zum dortigen Imkerverein. Außerdem sind die Bienenzüchter aus Wald-Michelbach stark vertreten, da es dort keinen eigenen Verein gibt.
Hess selbst hat vor allem Frühlingsblüten- und Waldhonig im Sortiment. „Auf guten Löwenzahn- oder Rapswiesen“ lasse sich auch die gleichnamige Speise der Götter gewinnen. Der 72-Jährige hat darüber hinaus vor, wieder vier Völker in den Heidelberger Hutzelwald zu bringen, um von dort Ende Juli Esskastanienhonig zu bekommen.
Info: Das Bienenfest der Hirschhorner Bienenzüchter für den gesamten südlichen Odenwald findet am Sonntag, 3. Juli, ab 10.30 Uhr an der Belegstelle Brombach oberhalb des Ortes mitten im Wald statt – herrlich kühl bei heißem Wetter (gute Ausschilderung vorhanden).
Bienenzuchtverein Hirschhorn und Umgebung
Kontakt: Vorsitzender Heinz Hess, Ersheimer Straße 41, 69434 Hirschhorn, Telefon 06272-912078, E-Mail heinz@hess.im, zweiter Vorsitzender Ernst Hofmann, Poststraße 22, 64757 Ober-Hainbrunn, Telefon 06275-612.
Mitglieder: 55 mit etwa 400 Völkern
Jahr der Gründung: 1946