Die Illusion ist schlichtweg perfekt. Satt wummert der Bass von Roger Glover aus den Marshall-Boxen, majestätisch thront die Hammond-Orgel von Jon Lord über den Songs, filigran reiht sich Ritchie Blackmores Gitarrenspiel ein, in schnellem Rhythmus halten die Drums von Ian Paice den Takt, während sich Ian Gillan die Seele aus dem Leib singt und schreit. Mit einem Unterschied: Es standen nicht die Deep Purple von 1972 auf der Bühne des Hüttenwerks, sondern mit „Purple Rising“ eine Coverband, die den alten Herren von heute zeigt, wie die Hits von damals auf der Bühne immer noch frisch und fetzig rüberkommen können – einfach perfekt.
Enthusiastisch, exzessiv, ausufernd, nicht enden wollend, auf den Punkt genau werden die alten Kracher von der fünfköpfigen Band förmlich zelebriert, die Spielfreude kommt in jedem Ton rüber. Die Musiker verausgaben sich total auf der Bühne, geben alles, machen klar, dass sie beim Konzert fünf Heroen des Hardrocks mit jeder Faser huldigen, die so nie mehr zusammen auftreten werden. Die Reminiszenz ist quasi total.
Es stimmt alles, von den Handbewegungen, dem affektierten Gehabe über die Kleidung und den Haaren bis hin zu den diversen Instrumenten. Andreas „Doc“ Kraus imitiert den Meister an den sechs Saiten, Ritchie Blackmore, beinahe schon so perfekt, dass es unheimlich ist. Das Mittelalter-Hemd des Historien-Fans mitsamt den herabhängenden Fransen, zusammen mit der vom Meister himself signierten Stratocaster-Gitarre, ergibt mit den stimmigen Bewegungen und dem virtuosen Spiel ein Gesamtbild, wie es besser nicht sein könnte.
Richtig (unheimlich) authentisch wird es, wenn sich der „Doc“ mit Andreas König an Hammond-Orgel und Keyboards immer wieder die legendären musikalischen Duelle liefert. „Speed King“, „Space Truckin‘“ oder „Black Night“ sind solche Klassiker, die inklusive der eingestreuten Soli überhaupt nicht mehr enden wollen. Eben „Old School“ pur, so wie damals auch die Deep-Purple-Konzerte Anfang und Mitte der 70er Jahre waren.
Wie König den nicht mehr unter uns weilenden Jon Lord gibt, ist ebenfalls ein Hingucker für sich. Seine Hammond-Orgel hat schon 62 Jahre auf dem Buckel und ist bei jedem Aufbau „eine Riesen-Plackerei“, wie Sänger Alexx Stahl scherzt. Aber der Sound! Der ist unvergleichlich und legt quasi sofort den Schalter um – das legendäre Live-Album „Made in Japan“ lässt grüßen. Dazu noch die Leslie-Verstärker, nur wenig jünger als das Instrument. Auch Jon Lords Fingerzeige hat sein Epigone bis ins kleinste Detail drauf.
Dominik Stotzem am Bass hat eher was vom zappeligen und nie still stehenden Ausnahmekünstler Glenn Hughes als vom ruhigeren Roger Glover. Er ist eindeutig der Partymacher in der Band, animiert das Publikum ein ums andere Mal erfolgreich zum Mitmachen und Mitsingen, ist wie ein Irrwisch auf der Bühne unterwegs und hat einfach den puren Groove im Blut. Schlagzeuger Stefan Deissler als Mann im Hintergrund tritt zwar weniger in Erscheinung, aber dann so richtig. Sein Drum-Solo muss sich hinter dem Original Ian Paice nicht verstecken, er heimst damit begeisterten Applaus ein.
Und schließlich Sänger Alexx Stahl. Der darf sich gleich an vier Vorgängern abarbeiten und macht seine Sache schlichtweg perfekt. Rod Evans stand bei „Hush“ am Mikro, mit dem Deep Purple 1968 die ersten großen Erfolge feierte. Und dann natürlich Ian Gillan vom klassischen Mark II-Line-up, den Stahl mit seinen Tönen in den höchsten Höhen beinahe schon alt aussehen lässt. „Child in Time“ etwa oder „Smoke on the Water“ klingen mit geschlossenen Augen wie vor 45 Jahren.
Doch auch David Coverdales „Mistreated“, bei sich dieser all seine Pein aus dem Leib schreit, oder die Klassiker der Mark III-Besetzung in Form von „Burn“ und „Stormbringer“ hat Stahl einfach drauf. Außerdem, und das ist das i-Tüpfelchen eines sowieso schon außergewöhnlichen Konzerts, die beiden Rainbow-Stücke, das epische majestätische „Stargazer“ und das nicht minder monumentale „Temple oft he King“, bei denen der vor einigen Jahren verstorbene Ronnie James Dio am Mikro stand. Der Jubel der Besucher kennt keine Grenzen, die Band wird enthusiastisch gefeiert.
Kleiner Wermuttropfen zum Schluss: Alexx Stahl hört nach fünfeinhalb Jahren „Purple Rising“ auf, weil er als Frontmann bei „Bonfire“ eingestiegen ist. Das letzte Konzert mit ihm will die Band denn auch nicht enden lassen. Dem Klassiker „Smoke on the Water“ folgt als Zugabe noch ein exzessives „Black Night“ mit eingestreutem „Jesus Christ Superstar“ und „Doctor, Doctor“ von UFO. Und als dann eigentlich das Saallicht schon an ist, bringt die Gruppe als allerletzte Zugabe noch ein selten gehörtes Stück, das nur als B-Seite einer Single erschienen, aber eine der schönsten Balladen überhaupt ist: „When a blind man cries“. Was für ein Abschied!
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