Geht es um den früheren und jetzigen Schulalltag, finden Jung und Alt schnell zueinander. „Ihr habt heute ganz andere Freiheiten als wir“, meint eine Bewohnerin der Seniorenresidenz „Hedwig Henneböhl“ zu den Neunt- und Zehntklässlern der Oberzent-Schule. Um aber hinterher zu schieben: „Ihr müsst aber auch viel mehr lernen als wir.“ Rechnen, Lesen, Schreiben – „und Abschreiben“ seien früher ihre Fächer gewesen, sagt die Seniorin schmunzelnd.
Und prompt ist das Eis gebrochen zwischen den 14- und 15-Jährigen und der (Ur-)Großeltern-Generation, die sich an diesem Morgen zum gemeinsamen Basteln versammelt hat. Es ist schon die zweite Schüler-Gruppe aus der gegenüber liegenden Oberzent-Schule, die jetzt sechs Wochen lang während des Religionsunterrichts diverse Aktivitäten mit den älteren Menschen durchführt. Die erste Resonanz war auf beiden Seiten sehr groß, weiß Lehrerin Gabriele Maurer, von der auch die Initiative ausging.
Nicht nur, dass in der Schule für das Projekt „Aufeinander zugehen“ gleich drei Gruppen gebildet werden mussten – die Senioren möchten ihre jugendlichen Begleiter nach der gemeinsamen Zeit nicht mehr missen. „Die älteren Menschen freuen sich riesig, wenn die jungen Leute da sind“, betonen Pflegedienstleiterin Angela Scheil und ihre Stellvertreterin Beate Busch-Flemming. Was die Angesprochenen unisono bestätigen. Auf die Frage „Hat es euch Spaß gemacht“ schallt ein vielstimmiges „Ja“ zurück.
Das geht sogar so weit, erzählt Scheil, dass die Senioren auf die Schüler etwa beim Englisch-Unterricht nicht mehr verzichten möchten. Sie berichtet ein einem älteren Bewohner, der morgens extra deswegen in den Betreuungsraum kam. Als er hörte, dass die erste Schülergruppe nach sechs Wochen Projekt nicht mehr dabei sei, habe er auf wieder kehrt gemacht, berichtet sie.
Und wie empfanden die Schüler die Zeit ab November? „Ich bin da eher schüchtern rangegangen“, sagt Isabell. Es sei schön zu sehen gewesen, „wie die Älteren mitmachen“. Dadurch entstand laut ihrer Beobachtung „immer mehr Vertrauen“. Die Schüler hätten sich mit den Senioren gut unterhalten können, beobachtete Beate Busch-Flemming. Johanna ergänzte, dass der von den Jugendlichen erarbeitete Englischkurs gut besucht wurde. Auch das gemeinsame Puzzeln funktionierte bestens.
„Je offener wir waren, desto mehr kam auch zurück“, meinte Max. „Wir können viel voneinander lernen, wenn wir respektvoll miteinander umgehen.“ Ein respektvolles Miteinander schaffe gegenseitiges Vertrauen. „So unterschiedlich sind die Generationen eigentlich gar nicht“, nahm er aus dem Projekt mit. Im täglichen Leben gingen die Jugendlichen nach dieser Erfahrung ganz anders mit älteren Menschen um.
„Die Senioren gaben den Schülern sehr gute Noten“, lächelte Angela Scheil. Etwa als diese mit ihnen Lieder einstudierten und sich darunter auch mal ein modernes Stück befand. Ihr fiel der „gefühlvolle Umgang“ der Jugendlichen mit demenziell Erkrankten auf. „Wir haben viele Erfahrungen gesammelt“, betonten die drei Schüler, „es hat viel Spaß gemacht“.
Laut reden, deutlich sprechen, öfter hingehen, zuhören, mit Freude dabei und motiviert sein oder Mut haben, auf Menschen zuzugehen: Die abgefragten Erlebnisse der Neunt- und Zehntklässler sind fast durchgehend positiv. Wenn auch die anfängliche Unsicherheit betont wurde, so klappte es nach und nach immer besser. „Ich habe tolle Erfahrungen gesammelt“, so eine Jugendliche stellvertretend.
Diesen Entwicklungsprozess stellte auch Schulleiterin Bernhild Hofherr fest. Aus anfänglicher Scheu und einer gewissen Distanz sei schnell ein Vertrauensverhältnis entstanden. „Aus pädagogischer Sicht ist das Projekt eine ganz sehr wichtige Sache“, betonte sie. Darüber hinaus äußerte sie ihre Freude, „dass es Bestand hat und keine Eintagsfliege ist“. Auch nachfolgende Jahrgänge hätten die Chance „auf den Kontakt zwischen den Generationen“.
Der Schülerbesuch habe die Seniorenresidenz „sehr lebendig gemacht“, beobachtete „Hedwig Henneböhl“-Geschäftsführer Michael Vetter. Er passe zur eigenen Haus-Philosophie, wonach die älteren Menschen als ein Teil der Gesellschaft betrachtet würden. „Sie nehmen nach wie vor aktiv am Leben teil.“ Dazu gehöre, dass sich das Wohn- und Pflegeheim mit Veranstaltungen zur Stadt hin öffne. „Angehörige, Kinder, Enkel sollen gerne und oft zu Besuch kommen“, wünschte er sich.
„Die Senioren sehnen sich nach einer Fortsetzung“, betonten nicht nur Vetter, sondern auch Scheil und Busch-Flemming. „Wohlfühlen ist auch ein Credo der Oberzent-Schule“, sagte Hofherr. Gemeinsames Kegeln, Malen, Singen, Puzzeln gehe nun mit einer anderen Gruppe weiter. Und damit sicher ein Lernen abseits des Unterrichts. Etwa, dass „alle Menschen gleich viel wert sind“, dass auch Ältere mit Einschränkungen „Freude und Spaß am Leben haben“. Oder der Spaß am Lernen des älteren Gegenübers. „Mit einem komischen Gefühl habe ich angefangen und mit einem guten aufgehört“, so das Fazit nicht nur eines Jugendlichen.
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